Diana Salles: Ich oder Nicht-Ich ist die Frage in „I Killed A Man“

Diana Salles @ ufaFabrik Berlin

Ich oder Nicht-Ich ist die Frage in „I Killed A Man“ von Diana Salles

Diana Salles „Delusional – I killed a man“ ist keine Biographie, und doch ein Stück, das die Gefühle der Künstlerin während ihrer Transition zeigt. Die drei Aufführungen in der Berliner ufa-Fabrik waren einer von vielen Höhepunkten des diesjährigen Festivals „Zeit für Zirkus“.

Diana Salles
"Sein oder Nichtsein heißt es in Hamlet. Ich oder Nicht-Ich heißt es in „Delusional - I killed a man“." (Foto: Ana Grancho)

Nur eine der beiden Saaltüren öffnet sich. Punkt 19 Uhr – keine Minute früher. Die Zuschauer:innen des gut einstündigen Stücks Delusional – I killed a man“ von Diana Salles sollen nicht nach und nach hereinkommen, sondern zusammen eintreten.

Die Künstlerin möchte sie begrüßen, und das nicht mit einem Mikrofon von der Bühne aus, sondern in der Tür stehend und dabei beinahe allen Eintretenden in die Augen blicken. Als wollte sie sagen: „Ich bin es, die dir gleich eine Show bieten wird“.

Aber wer ist in diesem Fall Ich? Um die besonderen Herausforedungen, die eine Transition (der Prozess des Wechsels des Geschlechts) dem Ich bringt, darum geht es in „Delusional – I killed a man“.

Ja, es ist ein persönliches Stück. Diana Salles stellt ihre Gefühle dar, die sie beim Weg vom Mann zur Frau erschüttern. Tiefe Gefühle, existenzielle Gefühle. Und gleichzeitig sind es keine einzigartigen Gefühle, sondern Emotionen, die viele Transmenschen durchleben.

Die Show erforscht das quälende Gefühl, sein früheres Selbst ermordet zu haben, eine häufige Erfahrung für viele Transfrauen, wenn sie ihr zugewiesenes Geschlecht hinter sich lassen“, heißt es in der Stückbeschreibung. Diese Empfindungen werden durch bedrückende Szenen dargestellt, in denen das Stück auf Sound und Worte verzichtet, in denen das minimal eingesetzte Licht die Bühne eher verdunkelt als erhellt und in denen Diana Salles langsames Abschreiten der Bühne das einzige Geschehen ist.

Demgegenüber stehen Momente der Freiheit, des Aufbruchs, des Zu-sich-Findens, wenn sich die Artistin amVertikaltuch hoch hinaus schwingt. Auf diese Phasen der Luftakrobatik folgen wieder Szenen am Boden, in denen sich das in Widersprüchen gefangene Ich in ekstatischen Bewegungen, aufpeitschender Technomusik und elektrisierendem Stroboskoplicht ausdrückt.

ufaFabrik Berlin
"Publikumsgespräche, wenn auch nicht immer so persönlich wie bei Diana Salles, gab es bei mehreren Aufführungen des Festivals „Zeit für Zirkus“." (Foto: Andrei Schnell)

„Das Stück ist keine Biographie“, sagt Diana Salles, „es geht um Emotionen, die jeder verstehen kann.“ Schließlich machten alle Menschen Wandlungen durch, sagt sie. Das kann der Wechsel vom Kind zum Erwachsenen sein oder der Übergang ins Seniorenleben. Verlustgefühle gehören zum Menschsein dazu. Selbst wenn sie vielleicht nicht immer so intensiv sein mögen wie in Delusional – I killed a man“.

Nicht bei jeder Wandlung im Leben werden so grundlegende Fragen des Ich berührt, wie bei einer Transition. Bei der es um die alles bestimmende Sehnsucht geht, jene Teile des Ichs niederzuringen, die sich falsch anfühlen. Und bei der es deshalb tatsächlich darum geht, Teile des Ichs zu töten.

Sein oder Nichtsein heißt es in Hamlet. Ich oder Nicht-Ich heißt es in Delusional – I killed a man“.

„Ich möchte sagen, ich habe keinen Mann getötet.“ Mit diesen Worten leitet Diana Salles nach Schlussapplaus und Bravorufen ihre Einladung zu einem Gespräch ein. Zu einem persönlichen Gespräch. Die, die das Angebot annehmen, treffen einen Menschen, der sich ernsthaft austauschen will. Aufmerksam, wach und zugewandt spricht sie mit den Interessierten.

Diana Salles
"" (Foto: Ana Grancho)

Zeit für Zirkus

Publikumsgespräche, wenn auch nicht immer so persönlich wie bei Diana Salles, gab es bei mehreren Aufführungen des Festivals Zeit für Zirkus“. Die Programmreihe vom 14. bis 17. November versammelte rund 90 Veranstaltungen an 40 Spielorten. Organisator von „Zeit für Zirkus“ ist der BUZZ – der Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus e.V.

In diesem Jahr fand die vierte Ausgabe des bundesweiten Festivals statt. Ziel des Programms ist es wie in den Vorjahren, den zeitgenössischen Zirkus bekannter zu machen. Darüber hinaus soll zeitgenössischer Zirkus als Bühnen- und Manegenkunst präsentiert werden, die das Geschichten erzählende Theater, die Erstaunen hervorrufende Akrobatik, Ausdrucksformen des Tanzes und weitere Genres zusammenführt.

Im Programm von „Zeit für Zirkus“ finden sich die Spielstätten mit Namen das Berliner Chamäleon oder das Karlsruher Tollhaus. Eine Besonderheit des Festivals ist, dass sich auch kleinere Häuser wie zum Beispiel das Theater Putbus beteiligen. Spielstätten wie diese nehmen aufgrund der Initiative von Zeit für Zirkus“ den zeitgenössischen Zirkus punktuell in ihr Programm auf. So bringen sie die junge Kunstform auch außerhalb der rührigen Großstädte dem Publikum näher. Unter den großen Städten war in diesem Jahr Köln mit gleich zehn Aufführungsorten stark präsent.

Auch im nächsten Jahr wird es das Festival geben. Am Wochenende vom 14. bis 16. November 2025 heißt es dann: Zeit für Zirkus.

Andrei Schnell