Du willst es, du kriegst es – im Rausch der Modeindustrie
Clara Köpf in Köln
Du willst es, du kriegst es – im Rausch der Modeindustrie
Vanessa Melde
Clara Köpf zwischen Kleiderbergen, Akrobatik und ratternder Nähmaschine: High (on) Fashion zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie eng Konsum, Mode und Überfluss verknüpft sind – und lädt im Anschluss gleich zum Kleidertausch ein.
(Foto: Vanessa Melde)
Vom Kleiderchaos in die Höhe
Ein vertrautes Bild: Vor der Kleiderstange stehen, sie quillt über vor Klamotten, und nichts Passendes finden. Dann rattert eine Nähmaschine, die Performerin schlüpft durch die Kleider hindurch, hinein in ein Hemd und klettert schwungvoll an dem sechs Meter hohen Chinesischen Mast empor. So viel Freiheit, so viel Kraft und noch mehr Sanftheit liegen in ihrer Akrobatik. Sie rutscht herunter, das Hemd bleibt an einem Haken hängen und sie sucht nach einem neuen Kleidungsstück. Die Nähmaschine rattert.
Clara Köpf ist Zirkuskünstlerin, aber sie will mehr als eine Zirkusshow kreieren. Ihr Bühnenstück „High (on) Fashion“ rüttelt am Gerüst der Fast-Fashion-Industrie, an unbekümmertem Konsumverhalten und dem steten Wunsch nach mehr. Ihr Aufruf zu mehr Nachhaltigkeit und achtsamen Konsum ist eine Zirkusperformance mit starken Bildern, die im Gedächtnis bleiben und anschließender Einladung zu einem Kleidertausch – ein erster Schritt entgegen Neukäufen.
Eine Performance über die Grenze zwischen Nutzen und Überfluss
Die Performance bewegt sich zwischen einer Kleiderstange, einem Vorhang, dem Chinesischen Mast und dem Bühnenboden. Je nach Kleidungsstück: eine übergroße Jeans, ein Samtkleid, eine lockere Bluse, verändert sie ihre Bewegungen von lässigem Groove, der an Breakdance erinnert, zum Posieren, Drehen und puppenhaften Bewegungen.
Die Message ist klar: Was du trägst, beeinflusst, wie du dich fühlst. Doch umso mehr Kleidungsstücke es werden, umso deutlicher wird der schmale Grat zwischen „Besitz“ und „Besessen sein“. Mit jeder Szene füllen weitere Kleidungstücke den Bühnenraum, sodass dieser bald einer Müllhalde aus Stoffen gleicht. Köpf befestigt ein menschgroßes Kleidungsbündel an einem Strick, sodass es wie ein Gegengewicht zu ihr selbst am Mast hängt: Sie hängt fest an ihrem Müll. Dann zieht sie ein Kleidungsstück über das nächste, präsentiert es stolz und zieht noch eines darüber. Bald kann sie sich in der Masse an Kleidung kaum bewegen.
Klar zeigt sie: Wir können gar nicht alles tragen, was wir besitzen. Und trotzdem kaufen wir die nächste Hose, das nächste T-Shirt, weil es uns so gefällt…
Kunst statt Aktivismus: Köpf über ihre Haltung
Im Gespräch nach der Show erzählt Clara Köpf, dass die Kleidungsstücke für das Bühnenstück aus einem Secondhand-Laden sind: „Als ich fragte, ob sie vielleicht Kleidung übrighätten, freuten sie sich: Ich komme gerade richtig, im Lager sind 50 Müllsäcke voll Kleidung, die eigentlich entsorgt werden sollten!“ Nach der Vorstellung wird ein Teil der Sachen für einen Kleidertausch freigegeben, wobei Köpf auch alle einlädt, die selbst nichts zum Tauschen dabeihaben. „Ich fahre meistens sowieso mit mehr zurück.“
Auch wenn das Thema von hoher Aktualität und Brisanz ist, Aktivistin möchte sich die Künstlerin nicht nennen. Sie mache Kunst und obwohl sie dabei manchmal das Gefühl hat, nicht genug zu bewegen stellt ihr Stück, unser Konsumverhalten und die Modeindustrie in Frage. Clara Köpf liefert uns eine glänzende Performance von Momenten, die in Erinnerung bleiben. Beim Festival „Zeit für Zirkus“ zeigte sie noch nicht alle Szenen. Das Stück ist im Arbeitsprozess. Am 4. Februar feiert „High (on) Fashion“ dann Vorpremiere im Tollhaus in Karlsruhe.
Vanessa Melde
*Dieser Beitrag ist Teil der Berichterstattung zu ZEIT FÜR ZIRKUS – ZEIT ZUM REDEN, organisiert vom Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus e.V. und gefördert vom Fonds Darstellende Künste und dem Kulturamt der Stadt Köln.