in_between im Berliner Chamäleon

Spinnrad der Träume

in_between - Spinnrad der Träume im Berliner Chamäleon

Die finnische Kompanie Circo Aereo bringt bis Ende Juli Traumsequenzen auf die Bühne des Chamäleons. Das neue Stück der seit Jahrzehnten aktiven und mehrfach ausgezeichneten Kompanie heißt „in_between“ und arbeitet mit teilweise aufwändigen Kulissen. Das Premierenpublikum in den Hackeschen Höfen schenkte begeisterten Applaus für die zu Traumbildern verwebte Einzel- und Gruppenartistik.

"Die Inszenierung ist ein Spaziergang durchs nächtliche Kopfkino." (Foto: Andy Phillipson)

Einer, der sieben Artist:innen, ist ein wenig anders. Er trägt einen hellbraunen Cordanzug, während die anderen auf der Bühne mit den für Zirkus typischen, engen Trikots bekleidet sind. Der durch die textile Hülle hervorgehobene Artist spielt „in_between“ den Träumenden, dessen Nachtbilder auf der Bühne für alle im Saal sichtbar werden. So erklären es die Artist:innen der preisgekrönten Kompanie Circo Aereo während der Premierenfeier im Berliner Chamäleon. Anders gesagt: Die Inszenierung ist ein Spaziergang durchs nächtliche Kopfkino.

Auffällig an dem Stück ist das relativ aufwändige Bühnenbild, das Pavla Kamánova geschaffen hat. Es gibt einen Gespensterwald, ein Klavier mit taktklopfendem Skelett und vor allem das altmodische, herrschaftliche Zimmer. Regisseur Maksim Komaro nennt es Englisch das „bourgoise apartment“. Der Finne habe sich gefragt, wie er die sieben unterschiedlichen Talente in dem Stück gut vereinigen könne, erzählt er. Dann sei er auf die Idee gekommen sei, die Truppe könne sich in einem luxuriösen Zimmer zu einem wilden Tanz zusammenfinden. Der herrschaftliche Raum ist ausgestattet mit roten Sofas, einem glitzernden Kronleuchter, einem schweren, blauen Vorhang und einer Stofftapete mit Vogelmotiven. Der Raum wirkt einerseits real, wie aus einem Schlossmuseum kopiert. Gleichzeitig scheint das noble Zimmer in einer Artistikshow fehl am Platz. Damit stärkt das Bühnenbild das Gefühl, sich in einem Traum zu befinden, in dem die Dinge bekanntlich so tun, als müssten sie samt und sonders so sein, wie sie sind, obwohl in Wahrheit einiges durcheinandergeraten ist.

in_between Chamäleon Berlin
„Intendantin Anke Politz umarmt Vejde Grind beim Schlussapplaus" (Foto: Andrei Schnell)

100 Minuten „in_between“ enthalten eine Mischung aus Einzeldarbietungen am Cyr Wheel, an Luftringen, am Vertikalseil und mit der Peitsche. Auch Hand-auf-Hand-Akrobatik und Kontorsion sind zu sehen. Gleichzeitig gibt es „in_between“ Abschnitte, in denen die sieben Artist:innen als Gruppe auftreten. Und wie bei Träumen üblich, zeigt die Show nicht nur angenehme, spielerische Imaginationen, sondern auch Nachtmahre. Und es tut dies, indem jedes einzelne der Traumbilder unvermittelt aufscheint, um dann bruchlos zum nächsten zu wechseln. So als ob der Träumende sich im Schlaf gedreht hätte und das Gehirn deshalb neue Situationen in den REM-Schlaf hineinlegt. Oder: Als ob die einzelnen Träume zu einem Gespinst werden wie der Faden, den ein Spinnrad aufspult.

in_between Chamäleon Berlin
„Saleh Yazdani mit beweglichem Skelett" (Foto: Andy Phillipson)

Circo Aereo ist eine mehrfach ausgezeichnete Kompanie mit Sitz in Helsinki und im französischen Nexon in der Region Nouvelle-Aquitaine. Seit der Gründung im Jahr 1996 war die Kompanie in über 40 Ländern auf Tournee. Der frühere Jongleur Maksim Komaro ist Mitgründer von Circo Aereo und hat in Finnland Pionierarbeit für den zeitgenössischen Zirkus geleistet. Mehrfach wurde er ausgezeichnet. Mit der Regiearbeit für „in_between“ begann er in Berlin im Jahr 2020. Wegen der Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie musste die erste Aufführung immer wieder verschoben werden. Nun gab es die „Welturaufführung“, wie Hendrik Frobel, Geschäftsführer des Chamäleons, bei der Premiere am 10. März sagte. Hendrik Frobel freut sich, dass mit diesem Stück die „Premierenabstinenz″ seines Hauses zu guter Letzt ein Ende findet. Und um dieses Ende zu feiern, ließ sich das Premierenpublikum auf Sekt und Häppchen und vor allem zu Künstler:innengesprächen an der Bar einladen. Das Chamäleon zeigt „in_between“ beinahe täglich fünf Monate lang.

Andrei Schnell