Out of Chaos - eine von vielen Shows bei Zeit für Zirkus

Zeit für Zirkus 2022

Out of Chaos - eine von vielen Shows bei Zeit für Zirkus

Die Show Out of Chaos ist ein Lob des Zusammenspiels. Sie lässt nach und nach aus anfänglichem Durcheinander präzise Abläufe der Artistik wachsen. Die Inszenierung der australischen Kompanie Gravity & Other Myths ist bis Dezember im Berliner Chamäleon zu sehen und war Teil des Programms „Zeit für Zirkus‟.

(Foto: Andy Phillipson)

Das Licht geht aus. In die Dunkelheit hinein bricht ein schmaler Lichtkegel, der eine einzelne Person auf der Bühne halb beleuchtet. Ein Monolog setzt ein. Wenig später beginnt ein zweiter Darsteller zu sprechen. Es folgen weitere. Die Show „Out of Chaos‟ fängt an mit einem Stimmengewirr. Es entsteht aus immer mehr gleichzeitigen Einzelreden ein Rauschen. Kein einzelnes Wort ist darin herauszuhören. Damit ist Startpunkt der Show „Out of Chaos‟ der australischen Gruppe Gravity & Other Myths (GOM) gesetzt: Am Anfang ist das Durcheinander. Um dieses zu ordnen haben auf der Bühne sieben Artist:innen und eine Musikerin 90 Minuten Zeit.

Zu sehen ist, wie die Mitglieder Gruppe sich vorsichtig, zunächst tastend, geduldig und mit einfachen Übungen annähern. Es wirkt, als ob sie sich erst kennen lernen müssten. Als ob ein Zusammenspiel erst wachsen und entsehen muss. GOM schreibt in seiner Stückbeschreibung: „Im Mittelpunkt der Inszenierung steht die Frage, wie sich die Dinge zusammenfügen.‟ Niemand weiß, wie sich die Dinge in der Welt zusammenfügen, aber im Zirkus fügen sich Dinge durch Choreographie zusammen. Und die lässt auf den behutsamen Beginn ein immer stärker anziehendes Tempo folgen. Bis die Geschwindigkeit das Publikum in den Bann zieht.

(Foto: Andy Phillipson)

Weil sich die Artist:innen rasend schnell auf den Zentimeter genau bewegen. Weil sich die Körper umeinander drehen, auf die Zehntelsekunde genau unter wirbelnden Armen wegducken, einander anspringen und sich gegenseitig im richtigen Moment auffangen. Dabei geht es um mehr als um Timing. Es geht darum, dem Chaos durch Zusammenspiel zu entkommen. Das Durcheinander nicht durch Leere, sondern durch Miteinander zu ersetzen. Das ist zum Beispiel nötig, wenn sich der oberste Artist, stehend auf einem Turm aus drei Menschen, wie ein Brett in die Tiefe fallen lässt. Und unten vom Team gemeinsam aufgefangen wird. Es ist ein Moment, in dem nicht wenige Zuschauer:innen im Saal erschrecken. Und es ist ein Moment, indem das Zusammenspiel eindrücklich das Chaos bezwingt.

Cirque Noël 2023 Gravity & Other Myths
(Foto: Andy Phillipson)

Aufführungen wie „Out of Chaos‟ sind Kunstwerke. Und das nicht, weil Einzelleistungen unglaublich sind. Sondern, weil es ein gelungenes Zusammenspiel ist. Es ist ein Werk, in dem mehr steckt, als die Summe seiner Einzelteile. Es sind nicht allein die sieben Artist:innen, nicht allein die Musikerin Sonja Schebeck mit ihrem Geigenbogen, nicht allein das Lichtdesign, nicht Regie, Kostüme und Technik allein. Es ist das Zusammenspiel all dieser Elemente, die die Show zu etwas Besonderem machen. Zu Recht ist „Out of Chaos‟ 2019 Winner Best Physical Theatre geworden. Wer als Zuschauer Teil des Ganzen werden will, der hat dazu noch bis zum 31. Dezember im Berliner Chamäleon Gelegenheit.

Einzelne Shows und Neuen Zirkus insgesamt als Kunst wahrzunehmen, dafür setzt sich „Zeit für Zirkus‟ ein. Das Format „Zeit für Zirkus‟ hat ein Programm kuratiert, mit dem deutschlandweit vom 11. bis 13. November für den zeitgenössischen Zirkus geworben wurde. Auf dem Programmzettel stand neben vielen anderen Shows „Out of Chaos‟.

So wie in der Show im Berliner Chamäleon das Zusammenspiel für den Moment der Überwältigung sorgte, so setzt auch das Format„Zeit für Zirkus‟ auf das Miteinander vieler, unterschiedlicher Zirkusbühnen, Kompanien und Organisationen. Hinter dem Format steht der Bundesverband Zeitgenössischer Zirkus zusammen mit dem Forum Neuer Zirkus e. V. Zudem „Zeit für Zirkus‟ auf ein Netzwerk engagierter Bühnen und Spielstätten zurückgreifen.

Andrei Schnell