Circular Vertigo | Overhead Project | Köln 2022
Eine Tänzerin tritt in eine spannungsvolle Begegnung mit einem von der Decke hängenden Pauschenpferd. Im Duett entwickelt sich ein feingliedriges Miteinander der beiden. Mit einem posthumanistischen Augenzwinkern werden tradierte Mensch-Objekt-Beziehungen durcheinanderwirbelt: Ein wilder Reigen an Möglichkeiten, spielerischen Annäherungen, gemeinsamen Taumeln und ungeahnten Höhenflügen entsteht. Das Pauschenpferd wird seinem Kontext entlehnt und schwingt im Kreis durch die Luft. Es ist eine ungewöhnliche Anordnung, die auf den klassischen Zirkus als Phänomen der Populärkultur verweist und ein historisches Detail zum Vorschein bringt: Der aus der Reitkunst des 18. Jahrhunderts hervorgegangene Zirkus eröffnete einigen Frauen die Möglichkeit als – teilweise wie Stars gefeierte – Künstlerinnen auf Pferden, einen Platz fernab von klassischen Familienrollen finden.
In „Circular Vertigo“ ist die Mitte des Kreises spielerisch mit einem starr wirkenden Objekt besetzt. Einmal in Schwingung gebracht, dominiert es einerseits den Kreis physisch, erinnert zugleich aber an die Möglichkeit des Heraustretens. So reflektiert das Stück einen gesellschaftlichen Raum, der, mit Blick auf die Fragen nach einem gleichberechtigten Gestaltungsfreiraum und Selbstbestimmung jenseits etablierter Geschlechterrollen, stets von Aushandlungsprozessen und Machtverhältnissen geprägt ist.
Foto: Stephan Glagla