Wer kann in die großen Fußstapfen der Clownsschuhe treten?

ATOLL Festival Karlsruhe

Wer kann in die großen Fußstapfen der Clownsschuhe treten?

Der Circus Ronaldo beantwortet in seiner Show „Sono io?“ (Bin ich das?) die ewig aktuelle Frage nach der Fortführung der Familientradition und nach der Übertragung der Verantwortung von Eltern auf ihre Kinder. Auf ebenso witzige wie bewegende Art und Weise wird dabei eine geschichtsträchtige Clownsfigur innerhalb der Familie von der sechsten an die siebte Generation weitergegeben.

Beim ATOLL Festival für zeitgenössischen Zirkus in Karlsruhe feierte der belgische „Circus Ronaldo“ mit drei Vorstellungen (16.-18.09.22) die Deutschlandpremiere seiner neuen Performance. Bei diesem Stück bekommt ein alternder, seinerzeit weithin verehrter und umjubelter Clown Besuch von seinem Sohn, der wegen seiner eigenen Ausbildung längere Zeit fort gewesen war. Gespielt werden die beiden Charaktere von Danny und Pepijn Ronaldo – auch im „echten Leben“ Vater und Sohn.

Pepijn und Danny Ronaldo (v.l.n.r. | Foto: Bernadette Wozniak-Fink)

Der liebenswert schrullige Ältere schwelgt in Erinnerungen an die zur Blütezeit seines Schaffens gefeierten großen Erfolge und spielt den Zuschauern die damals mitgeschnittenen Aufnahmen wieder und wieder vor. Die Tonspur kommentiert er dabei mit lebhaften Schilderungen seiner waghalsigen Kunststücke und der ehrfurchtsvollen Nennung all der namhaften Stätten, an denen er sie seinem begeisterten Publikum präsentiert hat.

Pepijn und Danny Ronaldo (v.l.n.r. | Foto: Bernadette Wozniak-Fink)

Als sein Sohn – mittlerweile selbst Clown – nun heimkehrt, zeigt sich, wie schwer es dem Vater fällt, sich einzugestehen, dass die ruhmreichen Zeiten unwiederbringlich der Vergangenheit angehören. Er will nicht wahrhaben, dass das öffentliche Interesse an ihm nachgelassen hat, dass seine (Seh-)Kräfte schwinden und dass die früher so perfekt einstudierten und vorgetragenen Kunststücke mittlerweile milden Staub angesetzt haben und gar nicht mehr oder nur noch mit der (von ihm überhaupt nicht bemerkten) Unterstützung seines Sohnes gelingen wollen. Moderner Technik steht er verständnislos gegenüber und hadert mit den sich ändernden Gewohnheiten der jungen Generation.

Als Vertreter einer traditionellen Clowns-Schule traut er seinem Sohn nicht zu, die Zuschauer gleichermaßen faszinieren zu können, wie es ihm zu seinen besten Zeiten einst gelungen war. Er schmälert dessen Leistungen oder zieht sie ins Lächerliche und tut neue Ideen mit dem Hinweis auf schonmal Dagewesenes ab. Wenn der Junge sein Können präsentiert, spielt sich der Vater immer wieder selbst in den Vordergrund und beginnt so einen unausgesprochenen Wettstreit um die Gunst des Publikums.

Um die väterliche Anerkennung zu bekommen, lässt sich der Junge zu immer waghalsigeren Kunststücken verleiten. Bei einem besonders spektakulären, gemeinsam vorgeführten Kunststück stößt der Alte an seine Grenzen. Darüber erbost bringt er den Sohn absichtlich in eine gefährliche Situation, die dieser zwar meistern kann, dabei aber komplett durchnässt wird.

Danny und Pepijn Ronaldo (v.l.n.r. | Foto: Kathie Danneels)

Nach dieser Eskalation schreit der Vater seinen Schmerz über den altersbedingten Bedeutungsverlust ein letztes Mal heraus, bevor ihn die elterliche Liebe zu seinem Kind zur Besinnung bringt. Er erkennt sich (und sein früheres) Selbst in seinem Sohn wieder und kann dessen Potenzial und Talent würdigen. Jetzt beginnt er ihn zu unterstützen und ihm Vertrauen entgegenzubringen. In der berührenden letzten Szene überreicht er ihm seine geheiligten Kostüme, überlässt ihm die Bühne und gesellt sich zu den jubelnden Zuschauern, die er – ganz stolzer Vater – daran erinnert, dass ihr Applaus seinem Sohn gilt.

Roland Xanthopoulos