Zirkuskindergarten: Der Traum und das liebe Geld

Pforzheim

Zirkuskindergarten: Der Traum und das liebe Geld

Karlotta Nübold steht mit ihrer Idee eines Zirkuskindergartens kurz vor der Umsetzung. Um letzte Bauauflagen der Stadt Pforzheim erfüllen zu können, hat sie auf betterplace.org eine Spendensammlung gestartet. Ein Restbetrag von 35.000 Euro soll durch Unterstützer:innen in ganz Deutschland zusammenkommen.  

Zirkuskindergarten
"Seit über 10 Jahren entwickle ich die Vision des Zirkuskindergartens mit dem Ziel, Kindern und Fachkräften einen bedürfnisorientierten Ort zu schaffen, an dem Zirkus- und Naturpädagogik verbunden werden" (Foto: Chris Redmore)

Sicher wird er einer der ersten Zirkuskindergärten in Deutschland. Karlotta Nübold will einen „Naturkindergarten mit zirkuspädagogischem Schwerpunkt‟ gründen. Während es unzählige punktuell buchbare Zirkusprojekte gibt, so ist es – noch – ungewöhnlich, wenn Zirkus zum Alltag für Drei- bis Sechsjährige werden soll. Zahlreiche Untiefen hat Karlotta Nübold auf dem Weg dorthin bereits umschifft; nun hofft sie, auch noch die letzte Sandbank zu umgehen.

So hat sie zu ihrem 30. Geburtstag im Dezember von der Stadt Pforzheim zwar eine Baugenehmigung erhalten. (Könnte es ein schöneres Geschenk geben?) Doch das Bauamt erteilt auf sieben Seiten Auflagen. (Könnte es ein bitteres Geschenk geben?) „Das ist ein neuer Zeitfaktor‟, fasst Karlotta Nübold die unerwartete Herausforderung zusammen. Mitarbeiter:innen, die sie bereits eingestellt hatte, musste sie wieder gehen lassen. Lediglich Erzieherin Regina finanziert sie weiter. So wird aus einem Zeitfaktor ein finanzieller Faktor. Und natürlich kosten die Auflagen für sich genommen ebenso Geld. Möglicherweise Mehrkosten in Höhe von 50.000 Euro ergeben sich. 35.000 Euro will Karlotta Nübold jetzt über Spenden auf betterplace.org einsammeln.

Zirkuskindergarten
„Die Zirkuswelt steht für Werte, die in unserer Gesellschaft immer seltener vermittelt werden: Man hilft sich, man achtet aufeinander." (Foto: Michael Nübold)

Vorsicht: Amtsbeschimpfung ist in diesem Fall nicht angebracht. Karlotta Nübold hat bei mehreren Gemeinden ihre Idee eines Zirkuskindergartens vorgestellt. Die Stadt Pforzheim gehörte zu den Städten, die ihren Willen zur Unterstützung klar erklärt haben. Die Zustimmung durch den Gemeinderat (siehe Vorlage R 1024), die Bewilligung von Investitionskosten sowie der monatlichen Zuschüsse durch die Stadtverwaltung – alles ist in Sack und Tüten. Schließlich helfen die 40 neue Kitaplätze in der Hercyniastraße 119 den Behörden. Denn sie müssen ihren Einwohner:innen das Anrecht auf einen Kindergartenplatz erfüllen. Auch ein Garten-Grundstück hat die Gründerin Karlotta Nübold in der Stadt an Enz, Nagold und Würm gefunden. Für einen Naturkindergarten sind keine großen Bauwerke nötig. Die Drei- bis Sechsjährigen sollen vor allem an der frischen Luft im Garten spielen. Aber eine Schutzhütte für Regentage ist dennoch nötig. Und für den Mittagsschlaf braucht es ebenfalls die feste Schutzunterkunft. Stolz ist die Gründerin auf Form der Hütte. Sie nennt sie Zirkabe. Das Wort mischt sich aus Zirkus und Wabe. Karlotta Nübold hat die Schutzhütte mit dem Grundriss eines Sechsecks ausgestattet. Von weitem betrachtet wird die Form des künftigen Häuschens an ein Zirkuszelt erinnern.

Zirkuskindergarten
„Die Zirkuswelt steht für Werte, die in unserer Gesellschaft immer seltener vermittelt werden: Man hilft sich, man achtet aufeinander." (Foto: Michael Nübold)

Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen: Mit frühem Training oder gar Drill hat das Konzept nichts zu tun. Karlotta Nübold will die Artistik „runterbrechen‟ auf die Altersgruppe. „Man kann nicht sagen, dass die Kinder beim Zirkuskindergarten jonglieren lernen‟. Wichtiger ist ihr ein anderer Aspekt. „Die Zirkuswelt steht für Werte, die in unserer Gesellschaft immer seltener vermittelt werden: Man hilft sich, man achtet aufeinander‟, so die 30-Jährige. Zirkus sei für das Transportieren dieser Werte ein gutes Medium. Gegenstände und Objekte braucht das Medium natürlich schon. Bälle, Diabolos oder Seile, die typischen Objekte des Zirkus, sollen Bestandteile der vorbereiteten Umgebung sein. „Ich will den Kindern Impulse geben, wer mitmachen will kann mitmachen‟, sagt Karlotta Nübold über das Konzept. Im Alltag werde der Fokus auf Natur und Zirkus liegen. Auf Jahreszeiten, auf Tieren, auf die Umgebung. Aber auch auf sportliche Betätigung. Der Unterschied zu einem Bewegungskindergarten liege beim „pädagogischen Medium‟. So sei „Zirkus eben etwas anders als Ballspiele oder Fußball‟.

Das Handelsregister hat die Zirkuskindergarten gGmbH am 20. August 2020 eingetragen. Die Idee Zirkuskindergarten träumt Karlotta Nübold seit einem Jahrzehnt. Sie selbst hat im Kinder- und Jugendzirkus Maccaroni in Karlsruhe trainiert und später als Jugendliche dort Kindern „gezeigt, wie das eine oder andere geht‟. Zirkusprojekte hat Karlotta Nübold zahlreiche bestritten. Man könnte sagen, mit dem Zirkuskindergarten wird ihr mobiles Projekt sesshaft.

Bemerkenswert ist auch, dass Karlotta Nübold nicht nur an die Eltern denkt, die den passenden Kindergarten für ihr Kind suchen. „Seit über 10 Jahren entwickle ich die Vision des Zirkuskindergartens mit dem Ziel, Kindern und Fachkräften einen bedürfnisorientierten Ort zu schaffen, an dem Zirkus- und Naturpädagogik verbunden werden‟, sagt sie. Auf dem Instagram-Kanal postet Karlotta Nübold die Versprechen, die sie Erzieher:innen macht. Bleibt nur übrig, die Daumen zu drücken, damit das Abenteuer Zirkuskindergarten tatsächlich beginnen kann

Andrei Schnell